„Max steh‘ endlich auf, du hast Schule!!“ Auf dem Weg ins Bad entdeckt Max (8 Jahre) das schon lang vermisste Rad seines kleinen Traktors. „Wo war noch gleich der Traktor?“ Max‘ Mutter kommt wutschnaubend ins Zimmer und jagt ihn ins Bad. Endlich am Frühstückstisch stößt er, in der Bemühung sich zu beeilen, die Kakaotasse um…. „Kannst Du denn nicht aufpassen!“ fährt die Mutter ihn an. Max muss sich umziehen und zieht in Eile den Pullover verkehrt herum an. Auf dem Schulweg hänseln ihn die anderen Kinder: „Der ist ja zu doof sich anzuziehen!“ In der Schule fährt ihn seine Lehrerin an: „Max, du sollst nicht in die Klasse reinrufen. Auch Du hast Dich an Regeln zu halten!“
Und jetzt auch noch die Hausaufgaben…..
Diese oder ähnliche Szenarien erleben aufmerksamkeitsgestörte Kinder und ihre Eltern fast täglich.
Was in der Literatur als Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität beschrieben wird, führt im Alltag der Betroffenen ständig zu Konflikten und Mißerfolgen.
Die typischen Probleme aufmerksamkeitsgestörter Kinder zeigen sich besonders dann, wenn längere Aufmerksamkeitsspannen sowie zielgerichtete Tätigkeiten verlangt werden (z.B. in der Schule, bei den Hausaufgaben, beim An- und Ausziehen, bei sozialen Anforderungen/Besuch).
Oft mangelt es den Kindern bereits an Grundfertigkeiten, um eine Aufgabe erfolgreich erledigen zu können und einer Anforderung gerecht zu werden. Sie haben Schwierigkeiten, relevante Informationen aufzunehmen und unwichtige Reize auszublenden. Oft platzen sie mit einer Antwort heraus oder beginnen eine Aufgabe, bevor sie überhaupt wissen, was gefragt wurde. Ihnen fehlt die Fähigkeit der Selbstkontrolle, der Handlungssteuerung und der Handlungsorganisation. Ihre herabgesetzte Impulskontrolle und fehlende Reaktionsverzögerung führen zu Störverhalten in der Schule und zu sozialen Problemen.
Eltern aufmerksamkeitsgestörter Kinder klagen über Erziehungs- schwierigkeiten, gleichaltrige Kinder meiden den Kontakt und die Schulleistungen sind unterdurchschnittlich. Durch ständige Misserfolge auf allen Gebieten entwickeln die Kinder ein sehr negatives Selbstbild. Die Eltern-Kind-Interaktion verläuft gestört. Die Familie befindet sich in einem Teufelskreis!
Treffen diese Kinder auf Inhalte, die ihr Interesse wecken oder wird ihr Verhalten sehr direkt durch einen Erwachsenen angeleitet, sind die Aufmerksamkeitsleistungen oft wenig oder gar nicht beeinträchtigt. Aus diesem Grund sind Einzeltherapien oft nur mäßig erfolgreich. Nur in Situationen, in denen das Kind sich mit Ablenkung und anderen Kindern auseinandersetzen muß, kann es die Strategien üben, die ihm im Alltag weiterhelfen.
Die häufig überlasteten Eltern benötigen ebenfalls Unterstützung. Sie wissen oft nicht, wie sie mit der Störung ihres Kindes umgehen sollen und reagieren ungünstig auf die „Faulheit“ und Impulsivität ihrer Kinder. Immer wieder stellt sich die Frage wie man diesen Familien effektiv helfen kann. Die aktuellen Entwicklungen in der Gesundheitspolitik erschweren die Wahl der geeigneten Maßnahmen zusätzlich. Hinzu kommt, dass jedes Kind anders auf die unterschiedlichen Therapiemaßnahmen anspricht.
Einige mögliche Therapieformen sind:
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- Medikamentöse Therapie
Eine medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka wird sorgfältig abgewogen. Begleitend sollte immer eine Therapie stattfinden, in der die Kinder unter dem Einfluß der Medikamente lernen können, mit ihrer Störung umzugehen. - Verhaltenstherapie oder Psychotherapie
z.B. nach dem THOP Programm von Döpfner/Schürmann. - Elterntraining/Coaching
- Ergotherapie
In der Einzeltherapie mit intensiver Elternberatung wird hier sowohl an den Konzentrationsleistungen und der Handlungsplanung/Erarbeitung von Strategien gearbeitet, als auch an den häufig begleitend auftretenden (grapho-)motorischen Problemen.
- Medikamentöse Therapie
In der Kleingruppe werden in Anlehnung an die Verhaltenstherapie Basisfertigkeiten, Impulskontrolle und ein planvoller Arbeitsstil erarbeitet. Die Eltern lernen, wie sie Anweisungen formulieren müssen, persönliche Belastungssituationen werden besprochen und verschiedene Erziehungsmaßnahmen/-möglichkeiten (Trainings-programm nach Lauth/Schlottke) erörtert.
Gut informierten Eltern fällt es leichter, verständnisvoll und unterstützend auf ihr Kind einzugehen. Sie können zwischen den Therapieangeboten sinnvoll abwägen und den Weg zu einem erfüllten Alltag mit ihrer Familie finden.
„Max bekommt ein lächelndes Gesicht in seinen Punkteplan, wenn er sich morgens selbstständig fertig macht und pünktlich am Frühstückstisch sitzt.
Als er am Morgen nicht aus dem Bett kommt erinnert ihn die Mutter freundlich aber bestimmt daran, dass ihm nur noch drei Punkte fehlen, bis er seine 20 Punkte in einen Besuch im Schwimmbad eintauschen kann.
Schnell steht Max auf und findet auf dem Weg ins Badezimmer das lang vermisste Rad seines Traktors. Er legt es auf seinen Schreibtisch und nimmt sich vor, es am Nachmittag anzubauen. Jetzt muss er sich erstmal sein lachendes Gesicht sichern. Pünktlich am Frühstückstisch kann er entspannt mit seiner Familie essen.
In der Schule sitzt er ganz vorne, mit dem Fenster im Rücken, so dass er nicht abgelenkt wird und die Lehrerin immer Kontakt zu ihm aufnehmen kann. Er sitzt auf einem Ballkissen und hat nicht mehr ständig den Drang zu „kippeln“. Auf seinem Tisch klebt eine große Stoppkarte, die ihn daran erinnert, nicht in die Klasse zu rufen.“