Graphomotorik

„Henrick, warum hältst du deine Hand immer so verkrampft? Pack den Stift doch nicht immer mit der Faust! Du hast das b falsch herum geschrieben, jetzt ist es ein d!“ Henricks Mutter ist verzweifelt. Die Schrift ihres Sohnes ist unleserlich und er ist wenig motiviert, etwas daran zu ändern. In der Schule und bei den Hausaufgaben klagt er außerdem über Schmerzen im Handgelenk. Manchmal zerreißt ihm sogar während des Schreibens das Papier.

Grafomotorik beinhaltet alle Prozesse die zur Produktion von grafischen Zeichen mittels Hand und Schreibgerät dienen. Aus Sicht der Ergotherapie wird die Grafomotorik gegliedert in die Bereiche Stifthaltung und Stiftführung.

Diese beiden Bereiche werden hauptsächlich beeinflusst durch:

    • Körperwahrnehmung und motorische Fähigkeiten
    • Handdominanz
    • kognitive Fähigkeiten

Schreiben und Malen müssen dabei als sehr komplexe, feinmotorische, auf einer gesunden Wahrnehmung basierende Tätigkeiten betrachtet werden. Die Sinnessysteme taktil (Berührung), propriozeptiv (Druck und Zug auf Muskeln und Gelenken), vestibulär (Gleichgewicht) und das visuelle System (Sehen) müssen dabei gut zusammen arbeiten, um höhere Sinnesleistungen wie das Schreiben zu ermöglichen. (Vgl.a. Ayres, Jean „Bausteine der kindlichen Entwicklung“).

Überblick über eine übliche Schreibentwicklung:

Ein Kind mit drei Jahren malt Kreuze. Es schneidet das erste Mal mit der Schere.
Mit ca. vier bis fünf Jahren schneidet es bereits an Linien entlang. Die Handdominanz sollte sich jetzt festlegen.
Ein Vorschulkind (ca. 5 J.) kann seinen Namen in Druckbuchstaben schreiben, die Bewegungen im Schreibprozess werden kleiner und feiner.
Im Übergang zum sechsten Lebensjahr sollte es bereits im korrekten Dreipunktgriff malen und evtl. schreiben.
Spätestens im sechsten Lebensjahr sind dann alle Voraussetzungen für den schulischen Schreiberwerb erfüllt.

Was ist der Dreipunktgriff?

Der Rechtshänder fasst den Stift je nach Handgröße, mit einem Abstand von ca. zwei bis drei cm von der Stiftspitze entfernt. Der Stift wird bei auswärts gedrehter Hand mit gebeugtem Zeigefinger und weitgehend gestrecktem, gegenübergestelltem Daumen mit den Fingerspitzen ergriffen. Der Mittelfinger leistet dabei nur Hilfs- bzw. Stützarbeit.

Diagnostik und Therapie

Das wichtigste bei der therapeutischen Behandlung von Kindern mit grafomotorischer Schwäche ist eine genaue diagnostische Abgrenzung. Es gilt vor dem Hintergrund der Gesamtentwicklung des Kindes, die Schreibentwicklung, die Feinmotorik und den Schreibfluss zu untersuchen.

Ursachen und Symptome einer grafomotorischen Schwäche

Sollten sich die Fähigkeiten zum Schreiberwerb nicht im vollen Umfang entwickeln, besteht die Möglichkeit, dass eine Teilleistungsschwäche hierfür die Ursache ist.
Kinder, die unter einer grafomotorischen Schwäche leiden verweigern das Malen meistens, haben Probleme in der Strichführung und Probleme mit der Kraftdosierung. Weiterhin ist zu bemerken, dass die Buchstabengröße schwankt, die Zeilen nicht eingehalten werden können und Buchstaben und Zahlen verdreht werden.
Diese Kinder und Jugendlichen, egal ob im Kindergarten- oder Schulalter, können Schwächen in der Grob- und Feinmotorik, in der Koordination der Bewegunskontrolle, in der Tonusregulation und im Gleichgewicht zeigen.
Bei Verdacht einer grafomotorischen Schwäche ist generell eine frühestmögliche Abklärung durch einen Spezialisten zu empfehlen. Je früher eine Behandlung begonnen wird, desto größer sind die Erfolgschancen binnen absehbarer Zeit. Gezieltes Wahrnehmungstraining in den oben genannten Bereichen, grafomotorische Übungen und adaptive Spiele, die Anpassung von Hilfsmitteln, wie z.B. Stiftverdikkungen sowie die Beratung der Eltern sind wichtig, um schnelle und bleibende Erfolge zu erzielen.

„Dieser Stiftknubbel ist klasse, ich kann den Stift jetzt viel besser halten. Die anderen in der Schule haben sowas cooles nicht!“  Henrick, nach intensivem Wahrnehmungstraining, grafomotorischer Förderung und der Anpassung einer Stiftverdickung.